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Gemeinsam aktiv

Vielfalt und Vorteile gemeinschaftlicher Selbsthilfe

Jede*r zehnte Erwachsene nimmt im Laufe seines Lebens an einer Selbsthilfegruppe teil: Gemeinschaftliche Selbsthilfe ist längst ein bewährter Weg, um Krankheiten und Probleme zu bewältigen.

Selbsthilfeaktivitäten kann man unterscheiden in individuelle und gruppenorientierte, gemeinschaftliche Selbsthilfe. Individuelle Selbsthilfe ist zum Beispiel, wenn jemand selbständig Schmerzmittel einnimmt oder bewährte Hausmittel anwendet, ohne eine*n Arzt*Ärztin aufzusuchen. Gemeinschaftliche Selbsthilfe hingegen ist, wenn sich Menschen zusammenschließen und gegenseitig helfen, die vom gleichen Problem betroffen sind. Die gemeinschaftliche Selbsthilfe kann in verschiedensten Formen geschehen: in der legendären Gesprächsgruppe vor Ort, in einer bundesweit tätigen Vereinigung, in einem Freizeittreff, einer Initiative auf Zeit oder einem Internetforum.

Themen gemeinschaftlicher Selbsthilfe

70.000 bis 100.000 Selbsthilfegruppen sind in Deutschland aktiv. Die Gruppen können diesen Themengebieten zugeordnet werden:
 

  • Gesundheitsbezogene Themen: Das umfasst das gesamte Spektrum körperlicher Erkrankungen und Behinderungen von allergischen, asthmatischen und anderen Atemwegserkrankungen über Herz-Kreislauf- bis hin zu Tumorerkrankungen. Rund zwei Drittel der Selbsthilfegruppen haben einen gesundheitsbezogenen Schwerpunkt.
  • Psychosoziale Themen: Hierzu zählen Sucht und Abhängigkeit sowie die Bereiche Familie, Partnerschaft, Erziehung, Gewalt, Tod oder andere Lebensprobleme und -krisen.
  • Soziale Themen: Zu diesem Bereich gehören Themen wie Arbeitslosigkeit, Verbraucherschutz, Ausbildung, Armut oder Migration.

Bei einer Klassifizierung der Selbsthilfe in "gesundheitsbezogen", "psychosozial" und "sozial"
muss man immer eines bedenken: Es kann sich dabei nie um eine klare Abgrenzung oder
Zuordnung handeln. Denn viele gesundheitsbezogene Selbsthilfegruppen sind auch zu sozialen Fragen aktiv und legen ein erweitertes Verständnis von Gesundheit zugrunde. Ebenso befassen sich psychosoziale und soziale Selbsthilfegruppen mit gesundheitsrelevanten Aspekten
ihrer Problemstellung.

Motive gemeinschaftlicher Selbsthilfe

Eigene und mittelbare Betroffenheit: In der gemeinschaftlichen Selbsthilfe schließen sich Menschen mit demselben Problem oder mit einem gemeinsamen Anliegen oder in einer gleichen Lebenssituation zusammen. Die Selbsthilfeengagierten sind entweder selbst oder mittelbar, zum Beispiel als Angehörige, Freunde oder Nachbarn*innen betroffen.

Selbsthilfegruppen von Angehörigen haben zwei Motive: sie wollen etwas für andere und etwas für sich selbst tun. Zum einen wollen sie die Lebenssituation des*der unmittelbar betroffenen Ehepartners*in, des Kindes, des Elternteils oder des*der Freundes*in verbessern. Zum anderen stellen Angehörige fest, dass die schwierige häusliche Situation zu ihrem eigenen, persönlichen Problem geworden ist.

In der gemeinschaftlichen Selbsthilfe wollen Menschen einander beistehen und helfen. Die Selbsthilfeengagierten setzen sich auch für andere Gleichbetroffene ein, die nicht Mitglied oder aktive Mitstreiter*innen der Gruppe oder Vereinigung sind.

Der Anlass für die Bildung einer Gruppe, Initiative oder Organisation ist oft sehr spezifisch: ein spezielles gesundheitliches Thema wie zum Beispiel eine chronische Erkrankung oder Behinderung, ein psychosoziales Thema wie zum Beispiel eine Lebenskrise nach dem Verlust eines nahen Angehörigen oder ein soziales Thema wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit oder eine soziale Notlage.

Anlass kann aber auch ein gemeinsames Anliegen oder Ziel sein. Dann kann es darum gehen, ein Problem / Thema anzugehen und zu lösen oder öffentlich zu machen und eine Lösung herbeizuführen. Der Fokus kann aber auch sein, etwas für sich und füreinander zu tun und / oder soziale und gesellschaftliche Veränderungen zu erreichen.

Formen gemeinschaftlicher Selbsthilfe

Selbsthilfe ist vielfältig. Folgende Formen gemeinschaflicher Selbsthilfe gibt es:
 

  • Örtliche Selbsthilfegruppen mit regelmäßigen Gruppentreffen, die dem Austausch, der Information, der gegenseitigen Hilfe und gemeinsamen Aktivitäten dienen. Im Zentrum steht das vertrauensvolle offene Gespräch. Besondere Form: die so genannten Anonymousgruppen wie zum Beispiel die Anonymen Alkoholiker.
  • Selbsthilfeinitiativen, die zeitlich begrenzt ein besonderes, meist örtliches Anliegen verfolgen, zum Beispiel die Verbesserungen des öffentlichen Personenverkehrs für Menschen mit körperlichen Behinderungen oder die kindergerechte Gestaltung einer Wohnsiedlung und -infrastruktur.
  • Selbsthilfeorganisationen und gegebenenfalls Untergliederungen, die in der Regel zu einem spezifischen Thema oder Anliegen arbeiten.
  • Selbsthilfedachorganisationen als Zusammenschlüsse von überwiegend oder ausschließlich juristischen Personen (eigenständige Mitgliedsorganisationen, Untergliederungen auf Landes- und Ortsebene), die zu verschiedenen Themen in einem Themenkontinuum arbeiten.
  • Digitale Selbsthilfe, zum Beispiel der Austausch von Gleichbetroffenen in einer digitalen Selbsthilfegruppe oder in einem Selbsthilfeforum.

Handlungsfelder gemeinschaftlicher Selbsthilfe

Auch die Aktivitäten in der gemeinschaftlichen Selbsthilfe können sehr vielfältig sein. Folgende Handlungsfelder spielen eine Rolle:
 

  • Austausch und gegenseitige Hilfe innerhalb der Gruppe
  • Information und Hilfe für außenstehende Gleichbetroffene
  • Öffentlichkeitsarbeit und Interessenvertretung
  • Gruppengemeinschaft und Geselligkeit
  • Wissenserwerb und gemeinsames Lernen
  • Netzwerkbildung und Kooperation
  • Sicherung der Arbeits- und Rahmenbedingungen.

Je nach Ziel und Entwicklungsstand stehen bestimmte Handlungsfelder im Vordergrund und andere im Hintergrund. Das kann sich im Gruppenverlauf durchaus ändern. Das Handlungsfeld „Austausch und gegenseitige Hilfe innerhalb der Gruppe“ ist für die gemeinschaftliche Selbsthilfe allerdings elementar und unverzichtbar.

In ihrer Arbeit befassen sich Mitglieder von Selbsthilfegruppen mit Fragestellungen, Folgen und Problemen ihrer Erkrankung oder der Erkrankung ihrer Angehörigen.

Die Gruppe hebt die Isolation der einzelnen auf und stärkt dadurch das Selbstvertrauen und die Solidarität.

Durch die Regelmäßigkeit der Treffen entsteht ein stützender Zusammenhalt, der Verständnis und Trost gibt und Mut macht zu neuer Aktivität und verändertem Verhalten.

Im Gespräch erfährt jede*r nicht nur seine eigene Situation neu, sondern auch die der anderen Teilnehmenden.

Jede*r kann vertrauensvoll am Leid und an den Sorgen Anderer Anteil nehmen, weil man sie selbst gut kennt.

Jede*r ist auch Vorbild für die Problembewältigung. Denn trotz Krankheit, Behinderung oder seelischer Konflikte verfügt jede*r über Bewältigungsmuster, die im Alltag verwendet werden, oft ohne sie überhaupt bewusst zu bemerken.

Die Selbsthilfegruppe macht solche konstruktiven Fähigkeiten bewusst und fördert ihre Entfaltung. Da die Selbsthilfekräfte bei allen anders sind, verfügt die Gruppe über unterschiedliche Herangehensweisen, mit Schwierigkeiten und Problemen fertig zu werden.

Aufgrund des gesammelten Erfahrungswissens und ihrer Betroffenenkompetenz entwickeln die Mitglieder der Gruppe Handlungskompetenzen im Umgang mit dem Versorgungssystem und Selbstmanagmentfähigkeiten im Umgang mit Beinträchtigungen, Behinderungen und Belastungen.

Das Geschehen in einer Selbsthilfegruppe ist ein Prozess zunehmender Selbstentwicklung.

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