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Rechtliche Fragen zur Selbsthilfearbeit

Auch Selbsthilfegruppen befinden sich selbstverständlich nicht in einem rechtsfreien Raum. Verschiedene gesetzliche Regelungen können für Selbsthilfegruppen gelten. Es hängt dabei von den Aktivitäten ab, welche Bestimmungen von Bedeutung sind und welche nicht. Wir haben für Sie die häufigsten rechtlichen Themen zusammengestellt, die für Selbsthilfegruppen zutreffen können.

Eine gute Nachricht zu Beginn: Die meisten rechtlichen Fragestellungen spielen für Selbsthilfegruppen zumindest bei der Gruppengründung keine Rolle. Erst wenn eine Gruppe sich als Verein gründen will, muss sie sich mit dem Vereinsrecht auseinandersetzen. Versicherungsschutz und Besteuerung kommen erst ins Spiel, wenn eine Gruppe Veranstaltungen plant oder Einnahmen hat. Gruppenleitungen und Gruppenmitglieder können sich also nach und nach mit den meisten Rechtsfragen befassen bzw. sind davon dauerhaft nicht betroffen. Nur der Datenschutz gilt für alle Selbsthilfegruppen und Selbsthilfeorganisationen und muss von Anfang an beachtet werden.

Selbsthilfegruppen im Gesundheitsbereich benötigen für die Beantragung von Fördermitteln bei den gesetzlichen Krankenkassen (Förderung gemäß §20h SGB V) ein eigenes Konto. Fördermittel dürfen nur auf dieses, für die Zwecke der Selbsthilfegruppe separat angelegte Konto, überwiesen werden. Grundsätzlich können diese Voraussetzungen aber auch für andere Zuwendungsgeber gelten.

Im Leitfaden zur Selbsthilfeförderung (herausgegeben vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen) ist in Abschnitt A.5.3 folgendes festgelegt:

Die Selbsthilfegruppe benennt ein nur für die Zwecke der Selbsthilfegruppe gesondertes Konto:

a. Konto für nicht verbandlich organisierte Selbsthilfegruppen
Diese benennen grundsätzlich ein von einem Gruppenmitglied für die Gruppe eingerichtetes Treuhandkonto oder ein Konto, das für die Gruppe als Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingerichtet wurde. Erhält die Gruppe kein eigenständiges Konto bei einer Bank, können Krankenkassen alternativ ein Unterkonto eines Girokontos, ein Sparkonto oder ein von einem Treuhänder eingerichtetes Konto akzeptieren. Die oder der Kontoverfügungsberechtigte einer nicht verbandlich organisierten Selbsthilfegruppe ist verpflichtet sicherzustellen, dass die Fördermittel ausschließlich für Zwecke der Gruppe unter Berücksichtigung des Leitfadens zur Selbsthilfeförderung verwendet werden. Sie oder er hat zudem sicherzustellen, dass die Gruppe in voller Höhe über die Mittel verfügt.

b. Konto für Selbsthilfegruppen, die unselbständige Untergliederungen von rechtsfähigen Bundes- oder Landesverbänden sind
Diese benennen ein buchhalterisches (Unter-)Konto des Gesamtvereins, dessen Mitglied sie sind, das für die jeweilige Untergliederung angelegt wurde und über das die Selbsthilfegruppe in voller Höhe verfügen kann.
Die oder der Kontoverfügungsberechtigte einer unselbständigen Untergliederung ist verpflichtet sicherzustellen, dass die Fördermittel ausschließlich für Zwecke der Gruppe unter Berücksichtigung des Leitfadens zur Selbsthilfeförderung verwendet werden.
Quelle: Leitfaden zur Selbsthilfeförderung gemäß § 20h SGB V vom 10. März 2000 in der Fassung vom 21. Oktober 2022

Praktische Hinweise und Hilfestellungen zur Eröffnung von Gruppenkonten
Für Gruppen, die als eingetragener Vereine (e.V.) organisiert sind, ist die Eröffnung eines eigenen Bankkontos als juristische Person kein Problem. Sie gehen zu einer Bank oder Sparkasse, verhandeln dort über die möglichen Konditionen und eröffnen mit den notwendigen Unterlagen ein Konto. Einige Banken bieten Vereinskonten auf der Grundlage eines Geschäftskontos an und berechnen dafür entsprechende Bankgebühren. Volksbanken und Sparkassen bieten manchmal Sonderkonditionen für Vereine an.

Nicht als Verein organisierte, „freie“ Gruppen können in der Regel kein eigenes Konto bei einer Bank eröffnen. Wie oben beschrieben, würden die gesetzlichen Krankenkassen in diesen Fällen zwar auch ein Unterkonto eines Girokontos, ein Sparkonto oder ein von einem Treuhänder eingerichtetes Konto akzeptieren. Selbsthilfekontaktstellen fungieren hier beispielsweise als Treuhänder.
Tatsächlich verfahren Geldinstitute in der Praxis bezüglich der Möglichkeiten einer Kontoeröffnung und -führung regional sehr unterschiedlich. Offenbar verweigern Banken in Einzelfällen mittlerweile auch die Einrichtung von Unter- und Treuhandkonten für Selbsthilfegruppen.
Welche Möglichkeiten im Einzelnen bestehen und ob es gegebenenfalls gesonderte Vereinbarungen mit Geldinstituten gibt, sollte bei der örtlichen Selbsthilfekontaktstelle erfragt werden.

In Einzelfällen haben Banken unter Vorlage folgender Dokumente eine Kontoeröffnung ermöglicht:
 

  1. Gründungsprotokoll für Selbsthilfegruppen
  2. Mustersatzung
  3. Bestätigung der Selbsthilfekontaktstelle

(Die Mustervorlagen werden mit freundlicher Genehmigung des Gesundheitstreffpunkt Mannheim e.V. bereitgestellt.)

Datenschutz-Bestimmungen gelten für alle Selbsthilfegruppen und müssen von Anfang an berücksichtigt werden. Mit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Mai 2018 hat das Thema Datenschutz für die Selbsthilfe noch einmal eine größere Bedeutung gewonnen. Beachten Sie hierzu die Themenseite Datenschutz.

Eine Selbsthilfegruppe muss kein Verein sein. Es gehört jedoch in die gemeinschaftliche Entscheidungsfreiheit der Gruppenmitglieder, ob sich die Gruppe in ihren Strukturen und Regeln eines Vereins organisieren möchte. Die Rechtsform als Verein bietet die Möglichkeit, sich auch in größerer Gemeinschaft zu strukturieren und rechtssicher Verbindlichkeiten zu regeln.

Wer einen Verein gründet, benötigt mindestens sechs weitere Mitstreiter*innen, mit denen man die Ideen und das Vorhaben teilt. Weiter wird eine Satzung benötigt, eine Gründungsversammlung muss erfolgen mit einem von den Gründungsmitgliedern unterschriebenen Protokoll über diese Gründungsversammlung sowie gewählte Vertreter*innen des Vereins, in der Regel den Vorstand.

Wenn auch eine Eintragung des neuen Vereins ins Vereinsregister vornehmen will, sollte sich die Unterschriften der gewählten Vertreter*innen des Vorstands notariell beglaubigen lassen. Oft übernimmt diese*r Notar*in dann auch die weiteren Formalien zur Eintragung ins Vereinsregister, aber das ist in den verschiedenen Bundesländern in Deutschland unterschiedlich geregelt. Soll der Verein auch gemeinnützig sein, muss bei der Vereinsgründung darauf geachtet werden, dass der Verein sowohl gemeinnützige Zwecke verfolgt als auch dass das daraus resultierende Steuerprivileg beim zuständigen Finanzamt, in der Regel das für Vereine zuständige Finanzamt für Körperschaften, beantragt wird.

Bevor Sie an die Gründung eines Vereins denken, sollten Sie jedoch prüfen, ob ein Verein die passende, zweckmäßige Rechtsform für Ihre Unternehmung ist. Grundsätzlich wird von der deutschen Rechtsordnung eine Fülle von Vereinigungsformen zur Verfügung gestellt. Eine Typologie des Gesellschaftsrechts in Deutschland kann hier nicht aufgezeigt werden und ist im Bedarfsfall in der einschlägigen Literatur der Betriebswirtschaftslehre nachzulesen. Grob lässt sich hier nur darauf hinweisen, dass es keinen „Eine-Person-Verein“ gibt oder ein Verein sich nicht als erwerbswirtschaftliches Unternehmen eignet. Der angestrebte Zweck des Vereins sollte in der Form eines Idealvereins verfolgt werden. Für den Bereich der Selbsthilfe bietet die Rechtsform des Vereins jedoch sehr gute Grundvoraussetzungen infolge seiner Flexibilität im Vereinszweck und der Mitgliederzahl sowie seiner möglichen basisdemokratischen Grundstruktur.

Weitere Informationen zur Vereinsgründung finden Sie in unserem Lexikon.

Ratgeber "Arbeit im Verein"
Die Publikation möchte all jenen Menschen Hilfestellung geben, die sich im Rahmen ihrer Vereinszugehörigkeit ehrenamtlich in der Vereinsarbeit engagieren; sie richtet sich aber ebenso an diejenigen, die am Anfang ihrer freiwilligen "Vereinskarriere" stehen. Der Autor gibt zahlreiche praxisnahe, handlungsorientierte und alltagstaugliche Tipps zum Vereins- und Gemeinnützigkeitsrecht oder zu Leitprinzipien nachhaltiger Vereinsführung und Vereinsarbeit.

Christoph Hüttig: Arbeit im Verein
Vereinsgründung, Rechtsgrundlagen und Leitprinzipien demokratischer Vereinsführung.
Arbeitshilfen für Selbsthilfe- und Bürgerinitiativen Nr. 51
Verlag Stiftung Mitarbeit, 2. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Bonn 2020, 124 S.
ISBN 978-3-941143-32-6
Information und Bestellung: www.mitarbeit.de

Mit Fragen zum Versicherungsschutz sollten sich Selbsthilfegruppen insbesondere befassen, wenn sie öffentliche Veranstaltungen planen. Ein Beispiel: Eine Selbsthilfegruppe präsentiert sich und ihre Arbeit draußen mit einem Informationsstand. Bei einem Windstoß werden Teile des Stands durch die Luft geschleudert und verletzen eine Teilnehmerin oder verursachen einen Kratzer bei einem parkenden Auto. Oder: Die Veranstaltung findet in einem Raum statt und ein*e Besucher*in stolpert über ein Stromkabel und verletzt sich auf diese Weise. Um für solche Fälle abgesichert zu sein, sollten Selbsthilfegruppen klären, ob ein besonderer Versicherungsschutz erforderlich ist.

In der Regel genießen Freiwillige über die Organisation Versicherungsschutz, in der sie aktiv sind. Betriebs- und Vereinshaftpflichtversicherungen schützen in der Regel alle haupt-, neben- und ehrenamtlich Engagierten. Vereine und Organisationen sollten daher dafür sorgen, dass die in ihrem Auftrag ehrenamtlich Tätigen und die in leitender Person Verantwortlichen von der Haftung freigestellt sind.

Wer keine leitende Funktion in seinem Verein ausübt, ist in der Regel durch seine private Haftpflichtversicherung geschützt. Bitte beachten Sie, dass die private Haftpflichtversicherung normalerweise nicht für die Ausübung eines leitenden Amtes gilt. Erkundigen Sie sich nach Ihrem tatsächlichen Versicherungsschutz in Ihrer Vereinigung beziehungsweise bei Ihrer privaten Versicherung.

Für Menschen, die in rechtlich unselbständigen Gruppen oder Initiativen freiwillig engagiert sind, gelten unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Bundesländern: oft gibt ein Landesrahmenvertrag oder ein Sammelvertrag Sicherheit, um einen lückenlosen Versicherungsschutz für alle zu gewährleisten.

Beachten Sie zu den Themen Unfallversicherung, Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung und Veranstalter-Haftpflicht die Hinweise im Lexikon.

Fragen zur Besteuerung sind für Selbsthilfegruppen erst dann von Bedeutung, wenn sie Einnahmen erzielen.

Grundsätzlich unterliegen alle Einnahmen, auch solche aus ehrenamtlichen Tätigkeiten, der Einkommenssteuer. Es ist dabei unerheblich, wie diese Einkünfte bezeichnet werden. Auch „Aufwandsentschädigungen“ unterliegen der Steuerpflicht, wenn damit Einkünfte erzielt werden (Stand 01.01.2018). Es gibt jedoch Möglichkeiten der Steuerbefreiung.

Um das ehrenamtlich Engagement der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zu fördern, hat der Gesetzgeber im Einkommenssteuergesetz drei mögliche Steuerbefreiungen für bestimmte nebenberufliche Tätigkeiten geschaffen:
 

  • die so genannte Übungsleiterpauschale nach § 3 Nr. 26 EStG
  • die so genannte Ehrenamtspauschale nach § 3 Nr. 26a EStG
  • die so genannte Pflegepauschale nach § 3 Nr. 26b EStG

Darüber hinaus existieren gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG Steuerbefreiungen für viele ehrenamtliche Tätigkeiten im kommunalen Bereich (Mandatsträger, Freiwillige Feuerwehr, öffentliche Dienste). Die Kommunen stellen hierfür ausführliche Informationen zur Verfügung.

Weitere Hinweise finden Sie in unserem Lexikon.

Hin und wieder kommt es vor, dass Personen unter 18 Jahren an Selbsthilfegruppen teilnehmen wollen. Für die Gruppe stellt sich dann eventuell die Frage, ob eine Teilnahme von Jugendliche unter 18 Jahren erlaubt ist und was dabei zu beachten ist.

Das Selbsthilfezentrum München hat eine Handreichung für Selbsthilfegruppen und Organisationen erstellt, die dieses Thema aufgreift.

Titelbild der Publikation

Für alle Selbsthilfegruppen, die vereinsrechtlich organisiert sind, gibt es seit Jahren eine Fülle von Veröffentlichungen und Ratgebern, die sich mit dem Vereinsrecht für die Praxis beschäftigen. Für Selbsthilfegruppen, die nicht vereinsrechtlich strukturiert sind, gibt es hingegen nur wenige Informationen über ihren rechtlichen Status.

Wir möchten Ihnen deshalb den Ratgeber "Recht für Selbsthilfegruppen" empfehlen. Die dritte überarbeitete und erweiterte Auflage wurde 2019 vom Selbsthilfezentrum München herausgegeben. Der Ratgeber richtet sich ausschließlich an Gruppen und Initiativen, die keine Vereine sind. In Zusammenarbeit mit Frau Rechtsanwältin Renate Mitleger-Lehner, München, ist eine Darstellung der Selbsthilfegruppen als „Gesellschaft des bürgerlichen Rechts“ entstanden. Mit Hinweisen auch zum Presse-, Versicherungs-, und Steuerrecht werden aktuelle Bezüge hergestellt, um die rechtliche Situation der Selbsthilfegruppen praxisgerecht darzustellen.

Ausführlich werden Problemstellungen für nicht vereinsrechtlich organisierte Gruppen behandelt und Bezüge zum Versicherungs-, Datenschutz- und Steuerrecht hergestellt. Das Kapitel zum Datenschutz wurde grundlegend neu gefasst und enthält nun sehr konkrete Ausführungen und praktische Hinweise, die den Selbsthilfegruppen und -initiativen eine klare Orientierung im zunächst unüberschaubar scheinenden Regelwerk geben.

Praxisgerecht werden die Fragen beantwortet, die in jeder Selbsthilfegruppe auftreten:

  • Wer tritt nach außen auf?
  • Wer unterschreibt den Förderantrag?
  • Wer haftet bei Fehlern, Versäumnissen und Unfällen?
  • Gibt es für Jugendliche besondere Bestimmungen?
  • Wer ist für den Flyer presserechtlich verantwortlich?
  • Ist der Datenschutz ausreichend gewährleistet und führt ein Straßenfest zur Steuerpflicht?

„Recht für Selbsthilfegruppen“ ist erhältlich über das Selbsthilfezentrum München.

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Das Selbsthilfe-Lexikon

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